Eine kleine Geschichte aus der Spracharbeit der Ehrenamtlichen in Handorf

In Integration, Münster

Eine Wendegeschichte – erlebt bei der ehrenamtlichen
Sprach-Arbeit mit Flüchtlingskindern in Münster.

Von Carl Leffers

In einem der Übungshefte in Deutsch – so von B. gewünscht – sollten bestimmte Aufgaben gelöst werden, nämlich aus vorliegenden Aussagesätzen sinnvolle Fragesätze zu bilden und diese in vorgesehenen Spalten schriftlich auszufertigen.
Beispielsweise hieß einer der Aussagesätze: Es gibt ein Tier, welches die Nüsse vor dem Winter in die Erde vergräbt. Entsprechend der Aufgabenstellung sollten nun Fragen daraus entwickelt werden wie etwa: Wohin vergräbt das Tier die Nüsse? Wieviele Nüsse vergräbt das Tier zusammen in der Erde? etc.
Wahrscheinlich empfand ich die immer ähnliche Fragenbildung zunehmend stupide und unlebendig und knüpfte daher mit anderen Fragen an: „Wisst ihr, um welches Tier es sich hier wohl handelt?“




Schon wurde es lebendig und die Kinder produzierten eine Menge Antworten. Am Häufigsten tippten sie auf Vögel. Ich fragte weiter, wie sie denn auf Vögel kämen? Die meisten meinten dann: „Ist doch klar, weil diese mit einem spitzen Schnabel doch am schnellsten die Nüsse öffnen könnten.“ Ich merkte bald, dass die Kinder dank sinnstiftender Logik mit den Vogelschnäbeln nicht auf das clevere Eichhörnchen kamen. Viele Kinder schienen dieses kleine Nagetier übrigens auch gar nicht zu kennen.

Gänzlich gefangengenommen von dem possierlichen Tierchen waren die meisten, als Z. ihr Smartphone zückte und mit der entsprechenden App das Tierlexikon öffnete, sehr bald das Eichhörnchen abgebildet fand und einiges von den großartigen Möglichkeiten dieses kleinen Tieres zu berichten wusste. Trotz vieler lexikalischer Infos blieb jedoch eine sinnenträchtige Frage offen, die ich dann prompt stellte: „Warum vergräbt denn das Eichhörnchen vor dem Winter die Nüsse an verschiedene Stellen in der Erde?“
Auch hier gab es eine einhellige, von den meisten getragene Antwort: „Damit die Nüsse im Winter nicht frieren müssen.“ Natürlich bekamen die Kinder mein Schmunzeln mit und ich gestand, dass ich auf die Idee, dass es auch den Nüssen gut gehen müsse, noch gar nicht gekommen sei. Ich hätte immer nur an das Eichhörnchen gedacht, dass es nämlich diesem gut gehe.
Nun gut, den Rest der Antwort kennen Sie als Leser, wenn Sie bis hierhin mit der Lektüre gekommen sind. Tschüs bis dahin, wenn’s mal wieder eine neue Wendegeschichten gibt.

Foto: Alexandra_Koch/ CC0 Public Domain pixabay.com

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